Worüber freue ich mich gerade?

Ich zu beginn dieser Frage: Okay, das sollte nicht so schwierig sein. Ich nach mehreren Stunden: Okay, das ist doch nicht so einfach, wie ich dachte.

Es gibt vieles, worüber man sich freuen kann, Versteht mich nicht falsch. Ich will mich hier gar nicht über mein Leben beschweren. Mein Problem ist das kleine Wörtchen „gerade“. Und es ist nun einmal so, dass man sich nicht unbedingt ununterbrochen freut. Also, worauf einige ich mich mit mir heute?

Freude ist sicher eines der positivsten Gefühle, die wir kennen. Es begleitet alle anderen guten Gefühle. Denn egal, ob man glücklich oder verliebt ist – man erfreut sich am Leben. Es lässt uns Jubeln, Frohlocken, Euphorisch sein.

Es ist eine Art natürliches High-Gefühl. Und wir versuchen zur Not auch, es künstlich hervorzurufen. Schlecht drauf – gönn Dir was. Kauf Dir was schönes. Iss ein bisschen Schokolade. Und wenn Du es nicht vortäuschen kannst, trink etwas Alkohol und betäube den Mangel an Freude.

Das sind zumindest die legalen Möglichkeiten. Daneben gibt es eine ganze Palette an Drogen – verschreibungspflichtig oder absolut illegal. Sie versprechen nicht, Dich glücklich zu machen. Sie versprechen, Dich gut zu fühlen. Dich zu freuen, wenn es keinen Grund gibt sich zu freuen.

Aber während echte Freude noch lange in uns nachhallt, die Erinnerung an glückliche Momente uns immer noch ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann, verpuffen diese künstlichen Hoch-Gefühle und hinterlassen nur eine noch größere Leere.

Sollen wir uns also resigniert damit abfinden, dass es Momente der Freude und Momente ohne Freude gibt? Sollen wir nicht versuchen, Depressionen zu bekämpfen? Sollen wir Freude, wie Glück, als etwas seltenes und kostbares ansehen?

Es gibt einen wunderschönen Film – gut, zuerst war es ein Buch. Aber ich habe den Film in verschiedenen Versionen gesehen und das Buch nie gelesen. Dieser Film heißt: Pollyanna.

Disney hat das Buch 1960 verfilmt, mit Hayley Mills als Pollyanna. Und das wird für mich immer das Original bleiben. Ich liebe diesen Film. Und ich kann mich daran nie satt sehen.

Und dieses wunderbare Mädchen, Pollyanna, ist nicht nur liebenswert und freundlich und großherzig. Sie hat auch ein besonderes Spiel: Such die Freude. Bemühe Dich in allem, etwas zu finden, worüber Du Dich freuen kannst.

Wir alle kennen Positives Denken. Es ist aus der Psychologie nicht mehr wegzudenken. Aber es ist eine Sache, die Dinge nicht so schlecht zu nehmen, wie sie sind, und noch einmal ein ganz anderer Schritt, sich darüber zu freuen.

Wenn man den Film mit erwachsenen Augen aus der heutigen Zeit anschaut, dann wird einem Pollyanna furchtbar naiv vorkommen. Eine Lebensweise, die nur funktioniert, solange einem nicht wirklich etwas schlimmes widerfährt. Und in der Tat, Pollyanna scheint ihre ganze Energie dafür auszugeben, dass andere Menschen Licht in der Dunkelheit finden – und als sie selbst es am Nötigsten hat, fehlt ihr jegliche Freude.

Aber die Freude, die man in die Welt hinaus trägt, die kommt auch wieder zu einem zurück. Ja, Pollyanna ist manchmal ein wenig naiv und blauäugig. Vielleicht auch ganz bewußt. Wer weiß schon, was in ihrem Kopf vor sich geht. Deshalb sollte man diesen Film mit kindlichen Augen und einem offenen Herzen anschauen. Als man allein mit seiner Phantasie, Freude in den kleinen Dingen finden konnte.

Weihnachten ist besonders ein Fest für Kinder, weil es nichts so schönes gibt, wie kindliche Freude. Diese offene, ungetrübte, ehrliche Art, sich über scheinbar Kleines und Banales zu freuen. Das erinnert auch uns daran, dass die Freude nur einen Augenblick entfernt ist – wenn wir mit offenen Augen durch das Leben gehen.

Kleine Freuden, wie z.B. dass ich heute keine Verspätungen mit Bus und Bahn hatte, und immer einen Sitzplatz gefunden habe. Größere Freuden, wie z.B. dass ich eine Umschulung machen darf. Und die ganz großen Freuden, die zwar seltener sind, aber sich anfühlen, wie es von Schiller 1785 in Worte gefasst und von Beethoven 1824 vertont wurde:

Ode an die Freude

Freude, schöner Götterfunken,

Tochter aus Elysium,

wir betreten feuertrunken,

Himmlische, dein Heiligtum.

Deine Zauber binden wieder,

was die Mode streng geteilt,

alle Menschen werden Brüder,

wo dein sanfter Flügel weilt.

Seid umschlungen Millionen!

Seid umschlungen Millionen!

Diesen Kuß der ganzen Welt.

Brüder überm Sternenzelt

muß ein lieber Vater wohnen.

 

Wem der große Wurf gelungen,

eines Freundes Freund zu sein,

wer ein holdes Weib errungen,

mische seinen Jubel ein!

Ja, wer auch nur eine Seele,

sein nennt auf dem Erdenrund,

und wer’s nie gekonnt, der stehle

weinend sich aus diesem Bund.

Was den großen Ring bewohnet,

huldige der Sympathie!

Zu den Sternen leitet sie,

wo der Unbekannte thronet.

 

Freude trinken alle Wesen

an den Brüsten der Natur,

alle Guten, alle Bösen,

folgen ihrer Rosenspur.

Küsse gab sie uns und Reben,

einen Freund, geprüft im Tod;

Wollust ward dem Wurm gegeben

und der Cherub steht vor Gott.

Ihr stürzt nieder, Millionen?

Ahnest du den Schöpfer, Welt?

Such ihn überm Sternenzelt,

über Sternen muß er wohnen.

 

Freude heißt die starke Feder

in der ewigen Natur,

Freude, Freude treibt die Räder

in der großen Weltenuhr.

Blumen lockt sie aus den Keimen,

Sonnen aus dem Firmament,

Sphären rollt sie in den Räumen,

die des Sehers Rohr nicht kennt.

Froh, wie seine Sonnen fliegen

durch des Himmels prächt’gen Plan,

laufet, Brüder, eure Bahn,

freudig wie ein Held zum Siegen.

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